Säbelrasseln in Korea – und danach?

Das Nordkorea-Info-Blog erklärt, warum das Vorgehen der USA und Südkoreas im Moment richtig sei. Dabei wird das Säbelrasseln auf beiden Seiten der innerkoreanischen Grenze als eine Art der Kommunikation verstanden, in der die USA und Südkorea entsprechend antworten müssten.

Einzig ein Satz, den ich so nicht stehen lassen kann, der mich nachhaltig stört:

„Das heißt nicht, dass das für alle Zeit so bleiben muss, aber Nordkorea scheint ein hartnäckiger Fall zu sein, der unter Zwang sozialisiert werden muss.“

Mal abgesehen davon, wie Nordkorea ohne einen (verlorenen) Krieg zwangssozialisiert werden soll, ist es anmaßend, einem anderen Volk aufzwingen zu wollen, was richtig ist und was falsch.

Wir in Deutschland halten die Todesstrafe mehrheitlich für falsch. Menschen sollten nicht mit dem Tode bestraft werden, egal, was sie getan haben. In anderen Ländern, unter anderem in einigen Staaten der USA, sehen die Menschen das anders. Auch wenn wir das für falsch halten, haben wir nicht das Recht, diese Menschen in diesen anderen Ländern mit Zwang zu sozialisieren.

Veränderungen müssen auf anderem Wege erreicht werden. Und genau deswegen brauchen wir, nachdem alle Seiten mal kräftig Dampf abgelassen haben, dauerhaft einen Friedensvertrag zwischen Nordkorea und Südkorea/den USA, der den Koreakrieg auch endlich faktisch beendet.

Wie das Nordkorea-Info-Blog schon früher bereits nachvollziehbar angemerkt hat, könnte das Säbelrasseln durchaus auch innenpolitische Gründe haben. Mit einer akuten Kriegsbedrohung lenkt die nordkoreanische Führung auf der einen Seite von wirtschaftlichen Rückschlägen ab, auf der anderen Seite werden auch sogenannte Hardliner in der Führung beruhigt.

Wenn Krieg also das Land innenpolitisch festigt, müsste dementsprechend ein Friedensvertrag genau das Gegenteil bewirken. Es gäbe dann keine triftige Ausrede mehr für ein Verbot, westlichen Güter zu beziehen bzw. zu empfangen.
Wenn die Menschen in Nordkorea verstärkt mit anderen Sicht- und Lebensweisen in Kontakt kämen, ohne dass ständig eine Kriegskulisse aufgebaut würde oder diese Kontakte unter Strafe ständen, würden auch die Fragen an die eigene Führung kommen.

Dass mit einer Öffnung Nordkoreas allerdings automatisch alles gut wird, wäre dann doch zu naiv gedacht. Fast 40 Jahre (Militär)Diktatur in Südkorea haben zumindest mir deutlich gezeigt, dass eine Öffnung und „Verwestlichung“ nicht automatisch zu Freiheit und Demokratie führen. Immer noch sind auch in Südkorea private Kontakte zu Nordkorea, die nicht von der südkoreanischen Regierung genehmigt werden, verboten und werden unter Umständen mit Haftstrafen belangt.

Ein Volk unter Zwang zu sozialisieren führt nur zu Widerstand und Radikalisierung. Es tötet deren eigene Kultur, die durch das ersetzt wird, was andere dann vorgeben. Ist das tatsächlich das richtige Verständnis von Freiheit, das die Nordkoreaner lernen sollen? Freiheit durch Zwang ist doch genau das, was den Nordkoreanern ja jetzt schon vermittelt wird.
Dazu kommt, dass gerade die (alten) Koreaner eine „Zwangssozialisierung“, eine versuchte Assimilation durch die Japaner während der Kolonialzeit bereits schmerzhaft erlebt haben. Entsprechend würde so etwas nicht nur in Nord-, sondern auch in Südkorea auf heftigste Ablehnung und Widerstand stoßen. Eine solche Forderung entspricht eigentlich eher der Einstellung von Menschen, die sich anderen Menschen und Kulturen überlegen fühlen (da ich das Nordkorea-Info-Blog ansonsten sehr schätze, hoffe ich sehr, dass es sich bei dem oben zitierten Satz um einen unbedachten Ausrutscher handelt).

Ein Volk muss seinen eigenen Weg gehen dürfen, und ja, es darf auch seine eigenen Fehler machen. Und gerade die asiatischen Länder müssen ihre eigene Form der Demokratie und Freiheit finden. Ist ja nicht so, als ob die „westlichen“ Demokratien alle gleich (gut) wären. Auch die Werte und Normen sind nicht alle einheitlich. Wir in Deutschland haben durchaus andere Vorstellungen von Freiheit, Gewalt, Moral und Verantwortung (etc.) als die Menschen in den USA beispielsweise. 😉

Dass allerdings sowohl China als auch die USA oder Südkorea nicht wirklich an einen Friedensvertrag interessiert zu sein scheinen, sagt mir wiederum, dass es den Ländern offenbar gar nicht wirklich um Nordkorea bzw. dem Wohl der Menschen dort geht, sondern nur um die eigenen (wirtschaftlichen und politischen) Interessen (was ja auch wiederum keine wirklich große Überraschung ist).

Nur, wie wir sehen, den Status Quo in Nordkorea für alle Zeiten einzufrieren, funktioniert nicht. Daher muss sich nicht nur Nordkorea ändern, sondern alle Beteiligten müssen ihre Haltung überdenken und ändern. Muskelspiele unterbrechen vielleicht kurzfristig die Konfliktspirale. Aber sie beenden sie nicht.

Wenn wir also schon irgendjemanden unter Zwang sozialisieren müssten, dann nicht nur Nordkorea, sondern auch Südkorea, die USA, China und jeden, der seine Finger dort mit im Spiel hat.

Veröffentlicht von Daniel Sanghoon

Hi, ich bin Daniel Sanghoon Lee. Hier schreibe ich auf, was mich als Koreaner der zweiten Generation beschäftigt. Die Kommentarfunktion ist bis auf weiteres abgeschaltet (Stichwort DSGVO).

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