Ein Wort zu den gegenwärtigen Demonstrationen in Südkorea

oder was mir gerade so durch den Kopf geht…

Ein Foto von heute Abend aus Seoul, Südkorea. Seit Wochen und Monaten demonstrieren Menschen mit Kerzen gegen den offenbar massiven Eingriff des südkoreanischen Geheimdienstes in die Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2012 zugunsten der heutigen Präsidentin Park Geun-Hye.

Die Demonstranten fordern die vollständige Aufklärung der Geheimdienstaktivitäten und den Rücktritt der Präsidentin. An Aufarbeitung sind konservative Kräfte in Südkorea aber nicht wirklich interessiert, was aber auch nicht anders zu erwarten war.

»According to Yu, many people were ›enraged‹ after watching the hearings.
›We’re likely to see even bigger candlelight protests this weekend,‹ he predicted.«

(Quelle: Parliamentary investigation into NIS election interference goes nowhere, thehankyoreh, 17.08.2013)

Laut koreanischen Medienberichten haben heute nun ca. 40.000 Menschen demonstriert, nach Angaben der Polizei waren es „nur“ 9.000.

Die Kerzen bei den Demonstrationen sind eine Tradition, die – meines Wissens nach – 2008 mit den Protesten gegen die Aufhebung eines Import-Stops von US-Rindfleisch begannen. Nachdem in den USA Fälle von BSE aufgetreten sind, hatte die südkoreanische Regierung zunächst die Einfuhr von US-Rindfleisch gestoppt. Sie hatte dann aber – aus Sicht der Bevölkerung – dem Druck der USA zu schnell und leichtfertig nachgegeben und das Einfuhr-Verbot wieder aufgehoben. Die Ängste und das Misstrauen wurden damals auch durch Meldungen geschürt, dass die USA ihr Rindfleisch lieber nach Südkorea exportiert würden statt auf dem heimischen Markt zu verkaufen (was ja dann nicht wirklich für die Unbedenklichkeit des Fleisches spricht). Warum Kerzen und wofür sie stehen, weiß ich jetzt auch nicht.

Fotos und Infos, die ich in deutschen Medien vermisse.

Das Problem: Wird nicht über solche Vorgänge berichtet, verstehen die Menschen hierzulande später nicht, wenn es irgendwo knallt. Oder sie denken, Südkorea ist eine vorbildliche Demokratie, da ja nichts Gegenteiliges berichtet wird. Und wenn über Nordkorea nur Negatives berichtet wird, denken die Menschen hier, dass Nordkorea der schlimmste Ort der Welt sei.

Beides ist nicht ganz richtig.

Aber nachvollziehen können die Menschen hierzulande das nicht, wenn eine kompetente, sachliche Berichterstattung mit Hintergrundinformationen fehlt. Allein das Fehlen von Informationen führt schon zu falschen Vorstellungen und Annahmen und damit zu Vorurteilen. Deshalb taugen deutsche Medien auch nicht als Informationsgrundlage für die außenpolitische Arbeit, wenn sie Länder außerhalb der westlichen Sphäre betrifft.

Könnte ich Koreanisch, ich könnte mich und andere besser informieren. Aber als „guter Migrant“ habe ich mich so gut assimiliert, dass Deutsch die Sprache ist, in der ich denke und träume (das ist jetzt etwas sarkastisch verkürzt; die Wirklichkeit ist etwas komplexer…).

Angesichts der Ereignisse außerhalb der westlichen Sphäre wird aber immer deutlicher, wie wichtig es ist, das Aufwachsen mit zwei oder mehr Kulturen als wertvolle Ressource zu erkennen, zu schätzen und ja, auch zu fördern. Denn genau solche Menschen sind es, die nicht nur am Besten geeignet sind, die unterschiedlichen Denkweisen und Kulturen zu analysieren und zu verstehen, sondern auch zwischen diesen zu vermitteln und das Verständnis für verschiedene Denkweisen zu fördern.

Deutsche Journalisten ohne Migrationshintergrund sind damit offenbar überfordert.
Und das betrifft nicht nur (Süd)Korea, sondern auch Ägypten, Syrien, Türkei, Irak und sogar Bulgarien, das ja eigentlich direkt vor unserer Haustür liegt im Vergleich zu den anderen genannten Ländern…

Armes Deutschland.

Veröffentlicht von Daniel Sanghoon

Hi, ich bin Daniel Sanghoon Lee. Hier schreibe ich auf, was mich als Koreaner der zweiten Generation beschäftigt. Die Kommentarfunktion ist bis auf weiteres abgeschaltet (Stichwort DSGVO).

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