Was wir im Kampf gegen Rassismus und Sexismus von der Erdbeere lernen können

Wer sich im Internet mit Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund und Feminismus beschäftigt, wird schnell auf eine Menge Rassismus und Sexismus stoßen. Dabei überraschen mich immer wieder die Vehemenz und Leidenschaft, die hinter solchen rassistischen und feministischen Kommentaren stecken. Die Tatsache, dass manche von diesen KommentatorInnen mit ihrem Klarnamen im Internet schreiben, zeigt mir, dass diese Menschen ehrlich davon überzeugt sind, im Recht zu sein, wenn sie ihre menschlichen Rassenkategorien verteidigen oder FeministInnen verunglimpfen.

Traurig macht mich aber auch die ehrliche Ahnungslosigkeit vieler Menschen, die eigentlich nicht rassistisch oder sexistisch sein wollen, für die mensch aber dann den Erklärbär spiele darf. Einmal mache ich das gerne. Ein zweites Mal, okay. Aber irgendwann vergeht auch mir die Lust, ständig die selben Fragen zu beantworten und Gegenargumente zu widerlegen.

Geht das auch anders?

Menschen wachsen offenbar bereits als Kinder mit bestimmten Stereotypen, Vorurteilen und falschem, weil veraltetem und ideologisch geprägtem Wissen auf.

Menschen, in denen sich diese falschen Annahmen verfestigt haben, lassen sich später offenbar nur schwer ändern. Auf der einen Seite mag dies daran liegen, dass Menschen in Deutschland gerne belehren, sich aber ungern selbst belehren lassen. Dies mag aber auch daran liegen, dass Erwachsene häufig denken, mit Schule und Ausbildung haben sie ausgelernt, so dass sie kaum einen direkten Zugang zu neuem Wissen, neuen Erkenntnissen besitzen. Medien wie TV und Zeitungen besaßen einst diese Funktion, scheinen aber angesichts sinkender Auflagen und Zuschauerzahlen ihre Aufklärungsfunktion gegen eine Unterhaltungsfunktion auszutauschen.

Die Denkmuster bei erwachsenen Menschen zu ändern – schwierig, wenn diese Menschen nicht von sich aus gewillt sind, offen für Neues zu sein und Altes zu hinterfragen.

Was aber möglich ist: unsere Kinder auf den richtigen Weg zu bringen.
Denn, das dürfen wir nie vergessen: Rassisten und Sexisten werden nicht geboren, sondern gemacht!

Wie schnell neues Wissen vermittelt werden kann, verdeutlicht die Geschichte der Erdbeere.

Letztes Jahr erzählte mir meine achtjährige Nichte, dass die Erdbeere keine Beere, sondern eine Nuss sei. Hätte ich nicht zufälligerweise erst Wochen vorher davon gelesen, ich hätte sie erst einmal schief angesehen und wohl ungläubig gelacht. Aber tatsächlich haben Botaniker herausgefunden, dass die Erdbeere zu den Sammelnussfrüchten zählt, der rote Fruchtkörper eine Scheinfrucht ist und die gelben „Körner“ auf der Erdbeere tatsächlich die entscheidende „Frucht“ sind und botanisch gesehen kleine Nüsschen sind.

Was mich allerdings beeindruckt hat, war die Selbstverständlichkeit, mit der meine Nichte mit dem Wissen umging. Natürlich ist die Erdbeere eine Nuss und keine Beere. Das weiß doch jedes Kind!

Was mich zu der Erkenntnis bringt: Ja, genau so müssen unsere Kinder auch in Bezug auf die menschliche Rasse, Diversity und Genderfragen aufwachsen.
Natürlich gibt es nur eine einzige menschliche Rasse!
Natürlich ist es normal, dass Menschen unterschiedliche Haar-, Augen- und Hautfarben besitzen.
Natürlich ist es normal, Mädchen und Jungs und andere gleich zu behandeln.
Natürlich sind Pink und Babyblau Farben, die kein Geschlecht repräsentieren.
Natürlich ist jeder Mensch erst einmal so zu nehmen, wie er oder sie ist.

Wir erwachsenen Menschen tun uns schwer, Neues so unvoreingenommen anzunehmen wie Kinder. Gerade in Deutschland liegt es an der häufig anzutreffenden Einstellung, als erwachsener Mensch hätte mensch ausgelernt. Dafür waren wir doch in der Schule und an der Uni. Das Konzept des lebenslangen Lernens hat sich noch nicht wirklich in den Köpfen der Menschen durchgesetzt.

Jede Generation der letzten Jahrhunderte in Europa hielt sich für den Gipfel der Zivilisation und Aufgeklärtheit, ohne auch nur zu ahnen, was nach ihnen kommen würde. Und so stellt sich ein Verhalten ein, an dem Galileo schon hart zu knabbern hatte: Menschen glauben eher das, was sie einst gelernt haben, was sie meinen zu wissen und was sie sehen und verstehen können, als an das, was andere neu entdecken.
Fragen wie „soll ich jetzt ignorieren, dass der eine weiß und der andere schwarz ist?“ oder „soll ich jetzt ignorieren, dass Frauen und Männer sich biologisch voneinander unterscheiden?“ sind das neue „Ich sehe doch, dass die Sonne sich von Osten nach Westen bewegt. Soll ich das etwa ignorieren und glauben, dass sich in Wirklichkeit die Erde um die Sonne dreht?“.
Oder „Häh? Die Erdbeere soll jetzt eine Nuss sein? Nüsse sehen doch ganz anders aus!“.

Neue Erkenntnisse zu akzeptieren bedeutet für die großen SkeptikerInnen und ZweiflerInnen, sich selbst mit Physik, Astronomie oder auch Botanik und Genetik zu beschäftigen, wenn sie Sicherheit haben wollen. Mir persönlich reicht es aus, wenn Wissenschaftler, also Experten, sich der Themen annehmen, diese untereinander diskutieren und analysieren und ich die Ergebnisse (und einige allgemeinverständliche Erklärungen dazu) erhalte. Schwierig wird es natürlich, wenn Wissenschaftler selbst einer ideologischen Agenda folgen. Oder Politiker und Medien oder sonstige Organisationen wissenschaftliche Erkenntnisse für ihre Zwecke missbrauchen.

Wenn also neue Erkenntnisse ideologiefrei in die Erziehung unserer Kinder einfließen, Kinderbücher, KindergartenerzieherInnen und LehrerInnen die neuen Erkenntnisse ganz automatisch vermitteln – ganze Generationen würden mit einer ganz anderen Ein- und Vorstellung unserer Welt aufwachsen.

Wenn ich aber sehe, dass nach über hundert Jahren Feminismus und den jahr(zehnt)e alten Erkenntnissen der Entstehung der menschlichen Rasse so viele Menschen immer noch ahnungslos sind, dann ist klar, wo das Versagen anfängt: In der Erziehung und Bildung unserer Kinder.

Dort müssen wir ansetzen. Dass das N-Wort aus Kinderbüchern ersetzt wird, ist nur ein erster Schritt. Wir brauchen neue Klassiker, neue Kinderbücher, die das Wissen des 21. Jahrhunderts widergeben und nicht das Wissen des 20. Jahrhunderts. Wir brauchen Bücher, ErzieherInnen und LehrerInnen, die auf selbstverständliche Weise vermitteln, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht die Sonne um die Erde, egal, was wir da oben am Himmel beobachten mögen.

Wie schnell das gehen kann, zeigt die Erdbeere, die keine Beere mehr sein will, sondern lieber eine Nuss ist. Egal, wie beerig sie auch aussehen mag.

Veröffentlicht von Daniel Sanghoon

Hi, ich bin Daniel Sanghoon Lee. Hier schreibe ich auf, was mich als Koreaner der zweiten Generation beschäftigt. Die Kommentarfunktion ist bis auf weiteres abgeschaltet (Stichwort DSGVO).

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