Rösler, Rassismus und Wahlkampf

„Das Interview werde nicht freigegeben, weil Rösler sein asiatisches Äußeres im Wahlkampf nicht zum Thema machen wolle.“

Quelle: Interview mit Philipp Rösler: Viele Fragen – keine Antworten, taz online, 09.09.2013

Die taz hatte Philipp Rösler unter anderem zum Thema „Hass“ eine Stunde lang interviewt. Mit dem obigen Ergebnis (siehe Zitat).

Ich habe da eine Vermutung (die natürlich völlig falsch sein kann). Aber wenn Philipp Rösler auch so behütet aufgewachsen ist wie ich, musste er sich möglicherweise lange Zeit nicht dem Thema Rassismus wirklich stellen.

Früher habe ich gedacht, dass Rassismus und Diskriminierung ein Problem der anderen sei. Der Schwarzen und der Türken. Nicht aber für uns Koreanern oder schon gar nicht für mich. Die vereinzelten rassistischen Begegnungen waren in der Wahrnehmung eher seltene Einzelfälle, so dass mir ein strukturelles Problem nicht auffiel oder bewusst war. Dass ich es heute etwas anders sehe, liegt daran, dass ich angefangen habe, mich mit dem Thema Rassismus bewusst auseinanderzusetzen und so langsam verstehe, was und wie alles zusammenhängt. Dazu gehört auch – natürlich! – meinen eigenen Rassismus zu hinterfragen. Denn: Ich bin letztendlich auch „nur“ ein Kind dieser Gesellschaft mit allen möglichen Stereotypen und Vorurteilen (was aber niemals eine Entschuldigung für Rassismus sein darf).

In Rassismus-Debatten stelle ich bei mir durchaus viele Unsicherheiten fest, wie ich welchen Sachverhalt begründen, argumentieren und belegen soll. Ich sitze noch nicht sattelfest in der Materie.

Wenn für Rösler – privat oder beruflich – Rassismus bislang eher nur ein Randthema war, kann ich mir gut vorstellen, dass er nach dem Interview nicht mehr sicher war, ob seine Antworten eigentlich wirklich Hand und Fuß haben und ob seine Antworten von anderen nicht (absichtlich) missverstanden und gegen ihn verwendet werden können.

Als ich selbst mal in den Sumpf einer Rassismus-Debatte in den Kommentaren unter einem Migazin-Artikel geraten bin, habe ich feststellen müssen, wie geschickt Rassisten argumentieren und ablenken (derailing) können. Obwohl ich mir sicher war, dass ich in vielen Punkten Recht hatte, fühlte ich mich am Ende völlig verunsichert, was dazu geführt hat, dass ich angefangen habe, Bücher zu diesem Thema zu lesen. Fängt mensch aber einmal damit an, stellt er schnell fest, dass das Thema äußerst komplex ist und verschiedene Ebenen und Sachgebiete berührt.

Ein Politiker wie Rösler kann sich im Wahlkampf keine derartige Schwäche leisten oder sich durch so etwas verunsichern lassen. Zumal ein falsches Wort schnell als ein Vorwurf an seine Koalitionspartner verstanden werden kann (wobei scharfe Kritik sehr wohl angebracht wäre, wenn ich mir die Fragen im Interview ansehe, die offensichtlich auf einen Teil der Antworten Bezug nehmen).

Leider verpasst Rösler auch die Chance, das Thema Rassismus mal von einer einflussreichen Position aus zu diskutieren und Alltagsrassismus im politischen Alltag offenzulegen. Er wäre die wohl prominenteste Person in der deutschen Politik, die eine Debatte über Alltags- und strukturellem Rassismus derzeit anzetteln oder unterstützen könnte.

Dies hieße aber auch, ein hässliches Thema anzuschneiden und in Wunden zu wühlen, während der Wahlkampf ja eigentlich ein positives Zukunftsbild durch die Partei und natürlich Philipp Rösler vermitteln soll.

FDP: Starke Bürgerrechte
Quelle: Screenshot eines Wahlkampfslogans auf der Internetseite der FDP vom 09.09.2013

Starke Bürgerrechte?
Mit der FDP?
Auf keinen Fall mit Philipp Rösler.

Aber wer weiß, vielleicht liege ich ja mit meiner Vermutung völlig daneben…

Nachtrag:
Die Kommentare unter dem taz-Artikel kritisieren zu Recht, dass einige Fragen auch Rückschlüsse über den Rassismus der FragestellerInnen zulassen. Wenn Rösler dies mangels Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus nicht bemerkt hat, sondern erst von seinen MitarbeiterInnen darauf hingewiesen wurde, ist für mich umso nachvollziehbarer, warum er das Interview am Ende nicht autorisiert hat.
Jemand, der sich mit Rassismus intensiv auseinandergesetzt hat, hätte auch die Fragen auseinandernehmen und zeigen können, warum bereits einige der Fragen nicht rassismusfrei sind. Dann wäre es vielleicht amEnde die taz-Redaktion gewesen, die das Interview zurückgezogen hätte und nicht Philipp Rösler.

Veröffentlicht von Daniel Sanghoon

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